Wozu heute noch Kopfrechnen am Gymnasium?


Überall gibt es Taschenrechner. Jedes Mobiltelefon hat eine Rechenfunktion eingebaut. Andrerseits schalten Schüler im Abitur den Taschenrechner ein, um   `2*3`   auszurechnen.

Das Kopfrechnen ist vor allem Mittel zum Zweck des schnellen Gedankenumsatzes im Arbeitsgedächtnis. Nach George Miller (1956) hat das Arbeitsgedächtnis des Menschen nur ca. sieben Plätze, die schnell besetzt sind. Manche Forscher haben ermittelt, dass es noch weniger sind. Es geht darum, diese Speicherplätze schnell und präzise belegen zu können und ebenso schnell wieder mit neuen Inhalten sicher über"schreiben" zu können.

Ist es ein Zufall, dass viele Hochbegabte ein Arbeitsgedächtnis mit überdurchschnittlich vielen Speicherstellen haben?

Für das geistige Arbeiten stellt das immer zu kleine Arbeitsgedächtnis den schlimmsten Engpass dar.

Das Kopfrechnen dient nun dazu, schnell und sicher im Arbeitsgedächtnis operieren zu lernen. Ob man sicher mit den Speicherinhalten jongliert hat, ist beim Kopfrechnen leicht nachprüfbar, z. B. mit einem Taschenrechner, z. B. mit den Quiz-Dateien in diesem Kapitel.

Wenn man mit logischen, philosophischen, sprachwissenschaftlichen, biologischen, chemischen, ethischen, physikalischen, ökologischen Begriffen "hantiert" im Arbeitsgedächtnis, ist die Richtigkeit der Denkoperationen nicht leicht nachprüfbar. Die Nachprüfung kostet auch zu viel Zeit und deshalb unterbleibt sie meist.

Für die Entwicklung von Denkkraft auf den obigen und vielen anderen Gebieten ist es nützlich, die Kopfrechenkompetenz als Mittel zum Zweck zu pflegen. Freies Reden in längeren Sätzen als "das Wetter ist schön", "der Hund bellt" erfordert ebenfalls ein schnelles Operieren mit den wenigen Speicherstellen des Arbeitsgedächtnisses.

So gesehen ist Kopfrechnen eine Säule der Rhethorik-Ausbildung. Mit dem GFS-Erlass bringen wir Schüler dazu, überhaupt ein Mal jährlich ab Klasse 7 ein Referat oder Ähnliches zu halten. Freies Sprechen lernen Schüler bei diesen seltenen und kurzen Gelegenheiten nicht ausreichend.

Ein erwünschter Nebeneffekt des Kopfrechnens ist das schnellere Rechnen und Begreifen bei der Einführung der Wurzel in der Mathematik. Während das additive (und subtraktive) Rechnen noch relativ nahe beim Alltag liegt, fällt den meisten Menschen das multiplikative Denken schwerer.

Weit ungewohnter ist das Denken in Quadraten und Wurzeln. Um dies zu beschleunigen und gewohnter zu machen, lohnen sich gelegentliche Übungen im multiplikativen, quadratischen und "wurzlierenden" Rechnen. Die gesamte Kursstufenmathematik wird durch diese Übungen leichter zugänglich.

Wozu Kopfrechnen? Damit es flutscht im Gehirn!